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In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich?

Fast jeden Morgen, wenn ich aus zerrissenem Schlaf kaputt und unausgeschlafen aufwache, stelle ich mir oft diese, mich quälende existentielle Grundfrage. Und es fällt mir manchmal schwer überhaupt aufzustehen und mich an meine Tagesaufgaben, u.a. als, mehr oder weniger, ohnmächtiger, politischer Buchautor zu setzten, weil diese brennende Frage mich mein ganzes bewusstes Leben, auch schon vor 1990 in der DDR umtrieb. Diese DDR, die bekanntlich leider auch keine, historisch tragfähige, Alternative zur bestehenden bürgerlichen Klassengesellschaft hervorbringen konnte. Aber ich werde schon gar nicht im vereinigten Deutschland, diesen bohrenden Gedanken los, dass wir, mehr denn je, in gesellschaftliche Verhältnisse eingezwängt sind, über deren wirkliches Wesen gleichfalls ein fast undurchdringlicher, toxischer Nebel ideologisch bedingter Illusionen wabert, der deshalb kaum in der öffentlichen Debatte thematisiert wird. Kann diese Gesellschaft, frage ich mich jedoch, wirklich als „Demokratie“, d.h. als „Volksherrschaft“ , als „freiheitlich – demokratische Grundordnung“, trotz Grundgesetz, begrifflich zutreffend definiert werden? Eine Gesellschaft, deren „Werteordnung“ uns von den politisch herrschenden Parteifunktionären und sogar der sogenannten „Opposition“, sowie natürlich den Massenmedien und durch Sprecher der meisten gesellschaftlichen Organisationen, als die beste, die freiheitlichste, ja sogar vorbildliche, aller möglichen Gesellschaftsordnungen und zwar

w e l t w e i t angepriesen wird? Daraus wird eine Art globaler Führungsanspruch hergeleitet , obwohl das in der UN – Charta gerade definitiv nicht vorgesehen ist. Während die anderen Gesellschaftsordnungen, in der ja die überwältigende Mehrheit der Menschheit lebt, angeblich, im Gegensatz zu unserer Werte basierten Ordnung, meist nur (gefährliche) „autoritäre Regime“ , ja Menschenrechte verletzende „Diktaturen“ sein sollen, die es, notfalls mit modernster westlicher Waffengewalt, zu bekämpfen gilt. Aber mit welchen tödlichen und kontraproduktiven, internationalen Ergebnissen und Folgen, wird diese selbstgefällige und illusionäre, westliche Doppelmoral exekutiert, wenn man auf blutige Geschichte und Gegenwart der westlichen Staaten ehrlicherweise zurückblickt.

Gewiss: werden unsere westlichen Gesellschaften, in angeblich noch zu bewältigenden Zeiträumen, als durchaus reformbedürftige Gesellschaften kontrovers diskutiert, wie etwa die primär durch uns verursachte, ökologische Krise und die kollabierenden Sozial – und Finanzsysteme. Und es werden fortlaufend, bekanntlich, in Politik und Nachrichten, über die, sich überschlagenden, innen- und außenpolitischen Probleme und über vielfache Skandale, ja sogar – Verbrechen und verheerende Naturkatastrophen berichtet und darüber aufgeregte Debatten geführt.

Aber ich werde den bohrend – brennenden Verdacht nicht los, dass dabei das, im Kern, bisher reformunfähige und – unwillige Wesen dieser Gesellschaftsordnung keinesfalls substanziell mehr infrage gestellt, ja bewusst oder unbewusst verschleiert wird, geschweige denn, dass sich politische Bewusstheit in der Bevölkerung mehrheitlich heraus bilden darf, dass diese Gesellschaftsordnung, durch ihre, auf Wachstum und Profit ausgerichtete Grundkonstruktion, gleichfalls unfähig ist, die Zukunftsaufgaben der Menschheit human zu bewältigen, sondern diese nur apokalyptisch tagtäglich verschlimmbessert. Das signalisieren die eskalierenden Hiobsbotschaften aus allen Kontinenten und die internationalen Spannungen und Kriege fortlaufend. Und an diesen krisenhaften Stellschrauben drehen auch gerade die westlichen Regierungen, zündelnd, mit herum, wie unlängst schon wieder in und um Taiwan. So, als ob der unbeherrschbare Ukraine – Krieg nicht schon völlig ausreichend wäre…

Es geht mir, um dies klar auszudrücken, erneut um die adäquate Kennzeichnung dieser Gesellschaftsordnung, die in ihrem Wesenskern auf globaler Profitmaximierung zugunsten wohlhabender Minderheiten basiert und damit die sozialen und nationalen Spaltungen, sowie die daraus resultierenden, kriegerischen und gewaltsamen Konflikte sowie die ökologische Weltkrise immer weiter verschärfen, anstatt sie human zu bewältigen. Oder wie Benjamin es schon hellseherisch ausdrückte: dass es so weitergeht, ist die Katastrophe… Das kann also schon deshalb keine Herrschaft zugunsten der existenziellen Lebensinteressen der Völker sein, sondern muss, wieder und wieder, als ungemein, repressive und autoritäre Geldherrschaft der Kapitaleigner und ihrer gesellschaftlichen Profiteure bezeichnet werden, zu der allerdings auch Teile der qualifizierten Mittelschichten gehören. Und ein simpler Ausstieg daraus, erscheint für alle davon anhängigen Bevölkerungsschichten existenziell unmöglich, wie die Zeitenwende von 1990 spätestens bewies. Wenn diese Wesenszusammenhänge allerdings stets in der Öffentlichkeit verschleiert und verdrängt werden, kann diese Gesellschaftsordnung nicht wirklich in ihrer Substanz weiter emanzipatorisch verändert werden, weil es dazu erneut auch gesellschaftlichen Massenbewegungen bedarf, die nur entstehen können, wenn dafür das entsprechende öffentliche Bewusstsein geschärft und linke und nicht rechte politische Kräfte, sich an die Spitze dieser Bewegungen setzen. Diese Gefahr ist jedoch weltweit akut!

Aber was kann ich, als fast namenloser, politischer Autor dagegen noch tun? Und ich sage das im vollen Bewusstsein, dass unsere Erde bekanntermaßen ein einzigartiger Planet ist, wenn wir bedenken, dass wir in der unendlichen Weite des Universums, bisher nichts vergleichbar Wunderbares und Lebendiges, wie unsere, freilich gefährdete, Natur- und Menschenerde gefunden haben. Und ich frage mich eindringlich, wie verantwortungsvoll geht gerade auch diese hochentwickelte westliche Welt mit der tödlich gefährdeten Natur und – Menschheit um, angesichts ihrer infantilen innen- und außenpolitischen Rechthaberei und ihrem, immer noch auf grenzenloses Wachstum, setzende Gewinnmaximierung, primär für wohlhabende Minderheiten? Was für eine irrige, westliche Herrenmenschen – Ideologie, dass nur die westliche Welt, das Grundrezept für eine humane Zukunft der Menschheit in den Händen hält! Nach meinen bitteren Erfahrungen nach 1990 ist die Diktatur der kapitalistischen Geldherrschaft viel repressiver und stärker, als die Diktatur aller schwächelnden Politbüros zusammen, die bekanntlich fast sang – und klanglos über Nacht verschwanden…

Ich habe, seit je her, nur die Kraft, meine Gefühle und Gedanken über dieses tödlich empfundene Gesellschaftsdrama, hin und wieder, so klar wie mir möglich auszudrücken, um eventuell etwas mitzuhelfen, das Bewusstsein dafür zu schärfen. Denn ich konnte und kann nicht, von meiner Veranlagung und Biografie her, gleichzeitig auch noch ein politisch organisierender Aktivist sein, zudem in einer Parteienlandschaft, die mir mir weitgehend fremd und völlig verschlossen ist. Zugleich bin ich mir bitter bewusst, dass auch mein mühsames Schreiben nur ein winziger, blitzschnell verdampfender Tropfen auf den unübersehbaren, kochend – heißen, politischen Wüstensand ist. Noch dazu, wo auch dieses kleine Blättchen, für das ich hier ab und zu schreibe, schon immer, nur sehr wenige, mehr oder weniger, Gleichgesinnte erreicht hat. Trotz allem, möchte ich, in dieser verzweifelten Lage, hier noch ein paar Strophen aus einem Gedicht und Liedtext zum Besten geben, entstanden aus meinem Unterbewusstsein, in denen ich, bereits vor drei Jahrzehnten, meine Gefühle und Gedanken nach 1990 zu diesen geschilderten, miserablen Gesellschaftszuständen im vereinigten Deutschland und darüber hinaus, auszudrücken versuchte und auch nach Auswegen suchte:

Schöne alte Welt (1990)

Alle Gewissheiten der schönen, neuen Welt,

in der ich lebte und, die von Anfang, bereits brüchig waren,

scheinen endgültig unter den trostlosen Trümmern

der zusammengebrochenen Geschichte begraben…

Was bleibt?

Ungewissheit:

eine Arbeit zu finden, die mich ernährt

und, die mein Hiersein sinnvoll macht…

Ungewissheit:

in einer Wohnung zu wohnen,

aus der ich vertrieben werden kann…

Ungewissheit:

über Nacht auf der Straße totgeschlagen zu werden,

weil ich anders bin…

Ungewissheit:

Tag und Nacht in den Nachrichten von

Kriminalität, Kriegen, Krankheiten, Katastrophen, Kapitalverbrechen zu erfahren,

denen ich scheinbar ohnmächtig ausgeliefert bin…

Ungewissheit:

in einer Welt leben zu müssen,

die so keine menschliche Perspektive hat…

Das animalische Gesetz der Natur

hat wieder, genüsslich triumphierend,

seine unerbittliche Vorherrschaft übernommen:

die Stärkeren fressen die Schwächeren,

bis auch die Satten nicht mehr können

und ihrerseits von den Stärkeren verschlungen werden …

Das also ist die „Freiheit“,

die sie in Wirklichkeit immer meinten…

Schöne alte Welt!

Deutschlandlied (1993)

Ach, Deutschland, kaltes Nebelland,wie bist Du schrecklich ausgebrannt,

träumst keine mutigen Träume mehr, und Deine Taschen scheinen leer…

Hast Dich unlängst wieder vereint, im Freudenrausch sogar geweint.

Nun ist der Katzenjammer da und nichts mehr so, wie es mal war, die Ehe, fremd und sonderbar.

In Deutschland herrscht Eisnebelsicht, die Pleitegeier kreisen dicht,

der Michel knufft, kotzt ab, schweigt still, weil man ihn trotzdem schröpfen will.

Wo nur Profit scheint zu regieren, kannst Du privat Dich schnell verlieren.

Wo viele nur für sich rum wühlen, kann ich mich nie Zuhause fühlen.

Wo alles sich nur dreht ums Geld, und Selbstsucht ist der Gott der Welt,

will ich oft nicht in Deutschland sein, weil Deutschlands Herz so kalt wie Stein.

Um `s Goldkalb tanzen, flüchtiges Glück,„ Gelobtes Land “, kehrst nicht zurück.

Bleibst Fremder unter Fremdherrschaft und Knecht totaler Geldwirtschaft.

Muss Tag und Nacht mich übergeben, wo Arm und Reich „ naturgegeben“,

wo jeder zusieht, wo er bleibt und sich dabei zu Tode reibt.

Als ob Deutschland ein Zuchthaus sei, am Eingangstor steht: „Geld macht frei! “

So fühl ` ich mich in diesem Land, das foltert mich todmüd krank.

Im Zuchthaus geht es viehisch zu, finden wir Schwachen niemals Ruh `.

Die ohne Geld, haben hier kaum Rechte, die, mit dem Geld, sind unsre Folterknechte.

Wo Du als Mensch bloß Ware bist, die leider gern mal trinkt und isst,

wirst Du taxiert am Arbeitsmarkt, wie` n Sklave auf dem Sklavenmarkt.

Wo Kinder ohne Liebe leben, weil viele nur dem Geld nachstreben,

ist Herzenskälte angesagt und Mitgefühl ist nicht gefragt.

Wo Männer täglich Frauen erschlagen, wenn sie zu widersprechen wagen,

da tobt das Wolfsgesetz, beinhart, es mordet in uns, Nacht und Tag.

Wo Ausgestoßene Amok laufen, weil sie im eigenen Hass absaufen,

verblutet Leben, sinnlos kalt, geteilte Welt ist voll Gewalt.

Wo Obdachlose, wie Tiere krepieren, wenn sie in eiskalten Nächten erfrieren,

bleibt Menschlichkeit ein leeres Wort, kein Recht auf Wohnung nenn ich Mord!

Wo Flüchtlinge, sie kalt abschieben, wie Ungeziefer Menschen sieben,

in überfüllten Booten, sie versinken, muss jedes Menschenrecht ertrinken.

Wo Fremde um ihr Leben rennen, weil sie wie Fackeln plötzlich brennen,

schlagen Mörder auch auf mein Herz drauf, hört diese Nazizeit nie auf.

Wo sie mit Waffen weltweit klirren, mit Bombern um die Erde schwirren,

mordet ihr Terrorkrieg für `s Geld, nur Elende der Hungerwelt.

Wo Wälder, Meere gehen kaputt, wo Mensch, Natur verglühen zu Schutt,

hat uns Gewinnsucht in der Hand, bis infernalisch, wir verbrannt.

Deutschland hat so viel Leid getan, ist noch so furchtbar untertan,

folgte manch ` falscher Prophetie´und glücklich war es dadurch nie.

Und was Du heut` im Fernsehen siehst, und was Du in der Zeitung liest,

scheint , ach, so frei und aktuell, ist doch zum Kotzen provinziell,

ist so beschissen kommerziell.

Wo „Bild“ Dir Deine Meinung macht, das Tier im Deutschen gern entfacht,

wird täglich Weihwasser verspritzt, das alles so bleibt, wie es ist,

dass das System so bleibt, wie ` s ist.

Wo Fußball nur zusammenhält, doch selbst der Ball rollt nur fürs Geld,

lebt es sich leer in der Nation, denn der Nation fehlt die Vision.

Weiß nicht, ob alle hier mich richtig verstehen? Mein Traum, der musste weit, weit gehen,

fand auch im Osten wenig Glück, mein Traum ner menschlichen Republik.

Wie kann es trotzdem weitergehen, wir uns nicht nur im Kreise drehen

und uns in Deutschland wohler fühlen ? –

Wenn es den Schwachen besser geht, nicht alles sich um ´s Glücksrad dreht,

nicht alles sich um `s Goldkalb dreht.

Ich frag `, trotz allem: wie geht denn das, dass Deutschland nicht mehr klingt,

wie `n hohles Bierfass ?!

Wenn ich und Du, nicht wegsehen blind und sich die Schwachen einig sind.

Denn teilen und herrschen, das können sie, doch wirklich teilen wollen sie nie.

Was uns hier allen schrecklich fehlt, ist neue Solidarität, ist starke Solidarität.

Wo sind nur die einstigen Visionäre, gar gut bezahlte Funktionäre ?

He, Du, 68 er Generation, schweigst Du so still für ´n Judaslohn?!

He, Du, 89 er Generation, schweigst Du auch so still, für `n Judaslohn ?!

Nun sind sie auch noch Kriegsantreiber und NATO – Waffen – Unterschreiber.

Den Frieden wollen sie dadurch schaffen und liefern ihnen Todeswaffen?

Wird es denn nie in Deutschland warm, finden wir niemals Arm in Arm ?

Wann wird `s hier wieder Frühling sein, mit vielen bunten Blümelein ?

Das frag `ich mich, tagein, tagaus, doch kommt dabei sehr wenig raus.

Kein Schwein geht oben allein voran, s` kommt auch auf mich und Dich hier an,

s` kommt, von Unten, auf uns alle drauf an.

Denn erst, wenn ne Mehrheit hier wieder bereit, für ne ganz neue Umverteilungszeit,

von Oben nach Unten, es ist längst schon so weit,

gingen auch wir Deutsche mal, zum Beispiel, voran,

beim Umverteilen kommt `s nicht nur auf Deutschland an,

da kommt `s auf `s Überleben von uns allen drauf an!

Ach, Deutschland, Winter – Nebelland, bist wirklich Du so ausgebrannt?

Träum `wieder mutige Träume mehr, denn Deine Taschen sind nicht leer.

Träumt wieder mutige Träume mehr, denn die Taschen der Reichen sind niemals leer . . .